TRIO ABSTRAKT

TRIO ABSTRAKT

Ensemble für zeitgenössische Musik

ÜBER SPOTLIGHT

Trio Abstrakt: spotlight ist eine Konzertreihe für abendfüllende Kompositionen der zeitgenössischen Musik. In enger Zusammenarbeit mit eine*r Komponist*in wird ein ca. einstündiges Werk in Form einer immersiven Kammermusik-Gesamterfahrung geschaffen – hier finden Werke ihre Uraufführung, die zwischen Kammermusik, Elektronik und Musiktheater changieren.


Am 03.12.2022 fand mit Michael Edwards 69-minütigen Werk in competence die Premiere des Werks und die erste Ausgabe von spotlight in der Alten Feuerwache Köln statt. Das Gesamtwerk wurde im Anschluss an die Uraufführung im Kubus des ZKM Karlsruhe aufgenommen und gefilmt und wird demnächst bei Elektramusic label veröffentlicht.

SPOTLIGHT 2022

Am 03.12.2022 fand mit Michael Edwards 69-minütigen Werk in competence die Premiere des Werks und die erste Ausgabe von spotlight in der Alten Feuerwache Köln statt. Das Gesamtwerk wurde im Anschluss an die Uraufführung im Kubus des ZKM Karlsruhe aufgenommen und gefilmt und wird demnächst bei Elektramusic label veröffentlicht.

Michael Edwards
In competence (2022)
für Saxophone, Klavier/Keyboard, Schlagzeug & Elektronik
Uraufführung

Trio Abstrakt
Salim(a) Javaid – Saxophone
Marlies Debacker – Klavier, sound file triggering
Shiau-Shiuan Hung – Schlagzeug

Klangregie
Florian Zwissler

Licht
Roman Sroka

Das Wort competence tauchte in der englischen Sprache im 15. Jahrhundert auf. So weit wir wissen, wurde sein Antonym, incompetence, erstmals im Jahr 1595 mit der Bedeutung, rechtlich nicht zuständig zu sein, verwendet. Ende desselben Jahres fand in London die erste Aufführung von William Shakespeares Richard II statt. Einige der Szenen des Stückes spielen in Flint Castle, wenige Kilometer von dem Ort entfernt, an dem ich aufgewachsen bin:

ACT II SCENE III, A camp in Wales, Captain:
’Tis thought the king is dead; we will not stay.
The bay-trees in our country are all wither’d
And meteors fright the fixed stars of heaven;
The pale-faced moon looks bloody on the earth
And lean-look’d prophets whisper fearful change;
Rich men look sad and ruffians dance and leap,
The one in fear to lose what they enjoy,
The other to enjoy by rage and war:
These signs forerun the death or fall of kings.
Farewell: our countrymen are gone and fled,
As well assured Richard their king is dead.

Man kann behaupten, dass Richard II auch den Komplex der Kompetenz thematisiert, indem er das göttliche Recht eines Königs mit dessen
weltlichen Schwächen sowie seinen Stärken konfrontiert. Manche Kommentatoren haben eine Verbindung zwischen dem Stück und der
Herrschaft von Königin Elizabeth I. hergestellt: Sie war bereits sehr betagt, als das Stück geschrieben wurde, was manche dazu veranlasste, über ihre Zulänglichkeit und einen vorzeitigen Thronwechsel nachzudenken. Eindeutig handelt es sich hierbei um zeitlose und sehr gegenwärtige Themen (man denke an Boris Johnson, Prinz Andrew und Elizabeth II. im Vereinigten Königreich ebenso wie an die noch jungen Eskapaden von Trump in den USA, Modi in Indien oder Bolsonaro in Brasilien). Kompetenz ist natürlich in vielen Bereichen von entscheidender Bedeutung.
So ist die Frage nach der Kompetenz eines Musikers von grundlegender Bedeutung, denn die technische Beherrschung eines Musikinstruments ist das Mindeste, was wir von Fachleuten und sogar von Student:innen erwarten. Musikalische und künstlerische Kompetenz beginnt jedoch dort, wo die instrumentale beherrscht und vorausgesetzt wird. Die Erwartungen und Einschätzungen des Publikums hinsichtlich der Kompetenz haben oft den Charakter von Ablenkungsmanövern, angetrieben von Mythen die sich um Virtuosität, künstlerische Vision und sogar den Grad der Vernunft ranken. In der Kunst liegt kulturelles Kapital sowohl im Wahnsinn wie in technischer Zauberei. Künstlerischer Wert wird oft von der Vorliebe des Publikums oder, hier wohl zutreffender, der Verbraucher für kurzlebige, modische Qualitäten.

Andererseits wird die Idee der Kompetenzin musikalischen Kompositionen nur selten explizit adressiert. In diesem Stück hingegen spielt es eine
zentrale Rolle, nicht zuletzt im Titel mit seiner bewusst irritierenden Verquickung von in competence und seinem Homonym incompetence.
Was würde oder könnte es bedeuten, Kompetenz musikalisch zu untersuchen? Stellen wir die Kompetenz des Musikers in Frage? Oder jene des Komponisten? Hinterfragen wir die technische, insbesondere die musiktechnische Kompetenz? Bezweifeln wir gar jene des Zuhörers? (Man
denke an die schöne Geschichte von Beethovens Entrüstung, als sein Sekretär Ries den Einsatz der Hornisten in der Reprise des ersten Satzes der Eroica bei deren Uraufführung – „zu früh“ – kritisierte.) Konkreter gefragt: Ist es möglich, musikalische Strukturen mehrfach zu
präsentieren und dabei den Musikern wie den Hörern jedes Mal unterschiedliche „Kompetenzniveaus“ abzuverlangen? Wenn ja, mit welchem
Resultat? Und welche Rolle spielt das Klimpern? Ist dies ein Beispiel von Inkompetenz, der Unfähigkeit, zum Beispiel, auf den Punkt zu kommen? Wie können wir einen scheinbar unmöglichen Hoketus im Kontext vorsätzlich überbeanspruchter Fingerfertigkeit untersuchen und wahrnehmen? Oder das Spiel eng beieinanderliegender Akkorde und möglicherweise das Scheitern? Oder die Gegenüberstellung von unmöglichen Sequenzen–beispielsweise schneller Saxophon-Slap-Tongues–und der Leichtigkeit, werden diese auf einem Sampling-Keyboard gespielt? Oder jene von musiktechnologischem Versagen und der mutmaßlichen Perfektion der Wiedergabe von Klangdateien sowie derer mancherorts unterstellter musikalisch-expressiver Dürftigkeit? All diese Fragen und weitere werden in diesem etwa einstündigen durchkomponierten Werk untersucht. Die Dauern und die Struktur des Stückes–alternierend zwischen instrumentalen Passagen (+/- Electronics) und elektronischen Zwischenspielen–sind von einer alten Aufnahme der oben abgedruckten Rede des Kapitäns abgeleitet, mit all den kompetent gesetzten tonalen Nuancierungen und ausdrucksvollen Pausen an den Enden, oder inmitten, der elf Verse. Notabene: Alle Klänge wurden vom Komponisten aufgenommen/bearbeitet/synthetisiert/gemischt, mit Ausnahme solcher einiger kommerzieller Synthesizer sowie eines stark bearbeiteten Klangs eines Eisbergs, den der freesound.org-Benutzer stormpetrel 2009 in der Antarktis aufgenommen hat. Vielen Dank für die freie Veröffentlichung dieser Arbeit.

Michael Edwards

Übersetzung ins Deutsche von Ruben Philipp

FOTOS

spotlight 2022 GEFÖRDERT VON